02.06.2021
Die Corona-Pandemie hat die Tourismusbranche weltweit vor große Herausforderungen gestellt. Daher hat Dr. Fried & Partner gemeinsam mit dem Travel Industry Club Ende 2020 die Frage gestellt, wie es mittelfristig weitergehen wird und eine entsprechende Szenarioanalyse durchgeführt.
Diese Analyse, die eine Umfrage mit über 600 teilnehmenden Branchenexpert*innen inkludierte, kam zu dem Ergebnis, dass die Tourismusbranche vor einem kriseninduzierten Aufbruch steht, der vor allem durch die derzeitigen Marktteilnehmer getragen wird. Eine „Metamorphose“ der Branche wurde als das wahrscheinlichste Szenario angesehen, welches einen hohen Grad der Weiterentwicklung in Prozessen und Produkten erfordern würde. Doch wie ist die Reiseindustrie mit der Zeit des Stillstands umgegangen?
Knapp ein halbes Jahr später und nach über einem Jahr Corona-Pandemie hat Dr. Fried und Partner nun eine Studie zum Status Quo der Branchenentwicklung durchgeführt, um zu ermitteln, wie die Reiseindustrie mit dieser Zeit des Stillstands umgegangen ist und diese ggfs. für sich genutzt hat. Wie haben sich einzelne Unternehmen konkret darauf eingestellt? Etwa bei Veränderungen ihrer Strukturen und Prozesse? Gibt es neue Ansätze bei den touristischen Produkten und deren Preisgestaltung?
In dieser Blogserie betrachten wir die verschiedenen Bereiche, die die Studie fokussiert und geben Einblicke in Ergebnisse und Ableitungen.
Die mit der Studie einhergehende Umfrage, die in Kooperation mit dem Travel Industry Club durchgeführt wurde und an der über 300 Branchenexpert*innen teilgenommen haben, wurde im Zeitraum vom 19. April bis 5. Mai 2021 durchgeführt. Über 50 Prozent der Teilnehmenden sind Geschäftsführer*innen oder Eigentümer*innen. Zudem setzt sich die Stichprobe überwiegend aus den Segmenten Reiseveranstalter, Reisevertrieb, Beherbergung, IT und Datenunternehmen sowie Beratung zusammen.
Im Fokus dieses ersten Artikels steht die Frage, wie umfassend Unternehmen seit Corona/März 2020 Veränderungen hinsichtlich Strukturen und Prozessen vorgenommen haben und welche Schlüsse daraus gezogen werden können. Mit einer Skala von 1 (sehr umfassende Veränderungen) bis 5 (gar keine Veränderungen) wurde abgefragt, wie umfassend Veränderungen in den Bereichen Automatisierung, Digitalisierung, agile Methoden und Geschäftsprozesse vorgenommen wurden.
Eine recht positive Entwicklung (Bewertung: 2,53) hat die Branche im Umfeld der Digitalisierung genommen. Nach Einschätzung von Dr. Fried & Partner wurde vor allem in die in der Öffentlichkeit bekannten Ansätze zur Erfüllung Corona-spezifischer Anforderungen wie die Realisierung von Homeoffice-Arbeitsplätzen, Touchless Travel oder die Entwicklung technischer Lösungen im Bereich des Test- oder Impfnachweises investiert. Erste Anpassungen der Systeminfrastruktur hinsichtlich Umstellung auf Cloudlösungen oder Integration und Vernetzung von (neuen) Systemen sind zu erkennen.
Im Bereich der Geschäftsprozessentwicklung (Bewertung: 2,87) wurden neben der Verlagerung von stationären Vertriebsprozessen in den Onlinebereich vor allem die Digitalisierung und Automatisierung von (Kern-)Prozessen v. a. in der Verwaltung, Buchung, Rechnungs- und Finanzwesen und Produktion in Angriff genommen.
Eine nicht ganz so umfassende Entwicklung wurde dem Thema Automatisierung zugeschrieben. Mit einem Wert von 3,06 Ist der generelle Automatisierungsgrad noch nicht so stark. Hier wurden insbesondere Buchungs- und Ticketingprozesse im Travel Umfeld sowie Check-in/Check-out-Prozesse im Bereich der Hotellerie weiter automatisiert.
Ein Trend, der bereits vor Corona begonnen hat, war die Einführung agiler Management- und Tech-Entwicklungsmethoden. Dieser hat sich fortgesetzt (Wert: 2,97) und vor allem die Einführung neuer Projektmanagementtools sowie agiler Methoden wie SCRUM zur Folge gehabt.
Um dem Szenario einer Metamorphose gerecht zu werden, müssten nach diesen Erkenntnissen die Unternehmen der Reisebranche wesentlich mehr in die Veränderung ihrer Strukturen und Prozesse investieren, als dies bisher der Fall ist. Gefordert sind vor allem Innovationen im Bereich der technischen Infrastruktur als auch hinsichtlich der Ausrichtung der gesamten Prozessorganisation an den veränderten Bedürfnissen der Kunden.
Wichtig wird es somit sein, beim aktuellen Wiederhochfahren der Branche nicht in alte Muster und Strukturen zu „verfallen“, sondern den Wandel weiterhin aktiv voranzutreiben.
Der Travel Industry Club ist Meinung, Netzwerk und Zukunft. Hier treffen sich die Macher und Beweger der Reisebranche, gemeinsam wird die Zukunft des Tourismus unabhängig vorgedacht. Hier werden komplexe Zukunftsthemen erörtert und Ideen entwickelt – und das auch mit dem Blick über den touristischen Tellerrand hinaus. Zudem rückt der Travel Industry Club die wirtschaftliche Bedeutung der Reiseindustrie stärker ins Licht der Öffentlichkeit, der Medien und der Politik und bringt mit dem Young TIC den Nachwuchs mit den führenden Akteuren der Branche zusammen.