Make or Buy? Keine leichte Entscheidung beim Thema Kundenkontakt Bearbeitung

Zur besseren Lesbarkeit wird in diesen Artikeln das generische Maskulinum verwendet. Die in diesen Artikeln verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

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Make or Buy? Keine leichte Entscheidung beim Thema Kundenkontakt Bearbeitung

19.08.2021

Trotz fortschreitender Digitalisierung nimmt in den meisten Vertriebs- und Serviceeinheiten nach wie vor das Kontaktvolumen, welches manuell durch einen Mitarbeiter bearbeitet werden muss, zu. Gleichzeitig steigt die Erwartung der Kunden/ Vertriebspartner an gute Erreichbarkeit, schnelle Bearbeitungszeiten, möglichst lange Öffnungszeiten und qualifizierte Lösung ihres Anliegens.

Will ein Unternehmen das steigende Kontaktvolumen in der von Kunden/ Vertriebspartner erwarteten Qualität bearbeiten, müssen zusätzliche Mitarbeiterressourcen in den Vertriebs- und Serviceeinheiten aufgebaut werden. Vor dem Hintergrund, dass auch der Aufwand für die Rekrutierung, die Qualifizierung und möglichst langfristige Bindung von Vertriebs- und Servicemitarbeitern in vielen Unternehmen deutlich zugenommen hat, prüfen immer mehr Unternehmen die Chancen und Risiken, ihre Kundenkontakte durch externe Contact Center Dienstleister bearbeiten zu lassen.

Was spricht für ein Outsourcing von Kundenkontakten?

Den größten fachlichen Mehrwert beim Outsourcing von Kundenkontakten sehen Unternehmen meist darin, dass sie dadurch flexibler auf „volatile“ Kontaktvolumina reagieren können. So soll durch die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern ein „atmendes System“ entstehen, welches möglichst konstante Servicelevel auch in den täglichen, wöchentlichen und jährlichen Peak Situationen erreicht. Auch bei einer Verlängerung der Öffnungszeiten oder einer Erweiterung des Kundenservice, z.B. um zusätzliche Sprachen, erhoffen sich Unternehmen von Dienstleistern eine deutlich höhere Flexibilität.

Da die Bearbeitung von Kundenkontakten das „Kerngeschäft“ von Contact Center Dienstleistern ist, sind diese meist sehr professionell in den Contact Center spezifischen Themen aufgestellt (u.a. HR, IT, Planung/ Steuerung/ Reporting, Qualitätssicherung). Außerdem gibt es Anbieter, welche sich auf spezifische Prozesse spezialisiert haben (z.B. Outbound Telefonie) oder umfassende Erfahrungen in „neuen“ Kanälen bieten (z.B. Chat). So können Unternehmen bei einer Zusammenarbeit mit Dienstleistern durchaus von deren Know-How Vorsprung profitieren.

Neben den fachlichen Vorteilen erwarten sich Unternehmen beim Outsourcing von Kundenkontakten auch Kosteneinsparungen. Grundsätzlich bietet die Zusammenarbeit mit externen Contact Center Dienstleistern eine Flexibilisierung der Kosten, da die Abrechnung im Wesentlichen nach Aufwand erfolgt (z.B. nach Bearbeitungsminuten oder nach bearbeiteten Kontakten). Darüber hinaus sind Dienstleister meist kostenorientiert aufgestellt und nutzen Skaleneffekte durch die Zusammenarbeit mit mehreren Kunden. So sind die von Dienstleistern angebotenen Minuten-/Kontaktpreise oft nicht in der internen Organisation darstellbar. Insbesondere wenn der Anbieter die Kontakte an einem ausländischen Standort „produziert“, in dem er mit günstigeren Standort- und Personalkosten kalkulieren kann.

Wo lauern Fallstricke?

Damit beim Outsourcing von Kundenkontakten tatsächlich der „Chancendreiklang“ Steigerung der Kundenzufriedenheit, Erhöhung der Professionalität und Senkung der Kosten maximal ausgeschöpft werden kann, müssen viele Fallstricke umgangen werden. Dazu gehören:

  • Kritiker der eigenen Organisation frühzeitig und proaktiv einbinden und deren Bedenken ernst nehmen – nur wenn möglichst viele von der Idee überzeugt sind, wird das Outsourcing Vorhaben erfolgreich sein
  • Dienstleister müssen zum Unternehmen passen – eine reine Fokussierung auf fachliche und wirtschaftliche Aspekte bei der Auswahl von Dienstleistern führen nicht unbedingt zum langfristig besten Partner
  • Schritt für Schritt statt „big bang“ – nur wer kleine Erfolge feiern kann, überzeugt Kritiker von der Idee und vermeidet gleichzeitig eine frühzeitige Abhängigkeit von einem Dienstleister
  • Realistische Planung ist erfolgskritisch – eine realistische Zeitplanung mit ausreichend Puffer (z.B. Verzögerungen bei der Vertragsverhandlung, technische Unwägbarkeiten) und die Wahl eines geeigneten Startzeitpunkts (z.B. nicht mitten in der Hochsaison) bilden eine Basis für die erfolgreiche Auswahl und Implementierung eines externen Dienstleisters
  • Konkurrenzdenken interne Mitarbeiter vs. externen Dienstleister nicht förderlich – nur wenn interne und externe Einheiten partnerschaftlich zusammenarbeiten, werden Kunden/ Vertriebspartner optimal betreut

Outsourcing von Kundenkontakten ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess – nur die Unternehmen, welche über ausreichende qualifizierte interne Mitarbeiterressourcen verfügen, um den Dienstleister laufend qualitativ und quantitativ zu steuern, werden dauerhaft eine hochwertige Dienstleistung von ihrem Partner bekommen

Ergänzend zu den oben gennannten Fallstricken ist es wichtig, dass die Erfolgserwartungen an das Outsourcing vor allem in der Anfangszeit nicht zu hoch gesetzt werden. Hier ist eine Pilotphase hilfreich, in der mögliche Anfangsschwierigkeiten behoben und ggf. die Form der Zusammenarbeit mit dem Dienstleister optimiert werden kann.

In fünf Schritten zur strukturierten Make or Buy Entscheidung

Für Make or Buy Entscheidungen beim Thema Kundenkontakte gibt es keinen „Königsweg“. Jedes Unternehmen muss für sich bestimmen, welche Kontakte durch eigene Mitarbeiter bearbeitet werden sollen und welche sinnvoller durch einen professionellen Dienstleister übernommen werden. Die Beantwortung der nachfolgenden Fragestellungen hilft, diese Entscheidung strukturiert zu treffen:

1. Strategie Check

  • Wie ist die strategische Haltung des Unternehmens zum Thema Outsourcing?
  • Ist der Kundenkontakt Teil der Kernwertschöpfung des Unternehmens?
  • Verfügen die Mitarbeiter, welche Kundenkontakte bearbeiten, über eine Kernkompetenz im Unternehmen, welche aktuell ggf. sogar ein USP im Vergleich zu Marktbegleitern ist?
  • Wie ist die Strategie im Hinblick auf die Gewinnung und Betreuung verschiedener Kunden-/ Vertriebspartnersegmente?

2. Prozess Check

  • Welche Kontaktgründe/ Prozesse ggf. differenziert nach Kunden-/Vertriebspartnersegmente könnten von einem externen Dienstleister bearbeitet werden?
  • Wie ist das aktuelle Volumen dieser Kontaktgründe/ Prozesse inkl. Prozesszeiten? Wie werden sich das Volumen sowie die Prozesszeiten zukünftig entwickeln auch vor dem Hintergrund einer ggf. geplanten Automatisierung/ Digitalisierung von Prozessen?
  • Welcher Ressourcenbedarf wird beim externen Dienstleister voraussichtlich benötigt, auch im Hinblick auf ggf. saisonale Schwankungen?
  • Welche IT-Systeme sind zur Bearbeitung der Kontaktgründe/ Prozesse beim externen Dienstleister erforderlich und können diese problemlos beim externen Dienstleister eingesetzt werden?
  • Wie kann der Wissenstransfer zu den Kontaktgründen/ Prozessen zu den Mitarbeitern des externen Dienstleisters erfolgen und mit welchem einmaligen und kontinuierlichen Aufwand ist dies voraussichtlich verbunden?

3. Qualitätssicherungs-Check

  • Welches Instrumentarium ist notwendig, um die quantitative (u.a. Erreichbarkeit, Bearbeitungsgeschwindigkeit) und qualitative (u.a. fachliche, methodische, sprachliche Kompetenz) Performance des externen Dienstleisters kontinuierlich zu messen und aktiv zu steuern?
  • Wie kann die Möglichkeit einer wirkungsvollen Qualitätssicherung vertraglich fixiert werden?

4. Kosten Check

  • Welche einmaligen/ laufenden Kosten fallen beim externen Dienstleister an? Wie sind dazu im Vergleich die internen Kosten?
  • Welche internen Mitarbeiterressourcen sind notwendig, um das Implementierungsprojekt zu begleiten und den Dienstleister kontinuierlich zu planen und zu steuern?
  • Welche zusätzlichen Kosten sind für Implementierung und den laufenden Betrieb des Dienstleisters sicherzustellen (u.a. technische Anbindung, zusätzliche Lizenzen)?
  • Welche weiteren Kosten können durch ein Outsourcing der Kundenkontakte auf das Unternehmen zukommen?

5. Risiko Check

  • Welche Maßnahmen sind sinnvoll, um eine zu große Abhängigkeit vom externen Partner zu minimieren?
  • Wie muss der externe Partner im Hinblick auf Notfälle (u.a. technischer Ausfall) vorbereitet sein?
  • Was muss im Hinblick auf DSGVO/ Data Security sichergestellt werden?

Auch wenn ein Outsourcing von Kundenkontakten vermeintlich Vorteile bietet, ist bei der Entscheidung, welche Kontakte tatsächlich sinnvoll an einen externen Dienstleister verlagert werden und welche besser Inhouse bearbeitet werden sollen, eine sorgfältige Prüfung der fünf Themenfelder notwendig. Bei der Umsetzung der getroffenen Make or Buy Entscheidung steigert die Berücksichtigung der o.g. Fallsticke deutlich die Chance auf eine nachhaltige Ausschöpfung der Vorteile.

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